Der Holzmichel lebt nicht mehr. So sieht es jedenfalls das Gericht der Europäischen Union (EuG), welches nicht mit dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verwechselt werden sollte.
Nein, es geht nicht um den Waldschrat, der in den Wäldern des Erzgebirges sein Unwesen treibt. Dies kann kein Gericht dieser Welt verhindern. Es geht um die Marke „Holzmichel“ in der Konstellation, in der einer bereits vorhandenen älteren Marke bei einer Neuanmeldung ein Wort oder Wortbestandteil hinzugefügt wird.
Ein Getränkehersteller aus der Schweiz ging aus der in den Klassen 32 und 33 für alkoholische und alkoholfreie Getränke aller Art eingetragenen älteren Marke „Michel“ gegen die für nahezu identische Waren angemeldete jüngere Marke „Holzmichel“ eines Lausitzer Lebensmittelunternehmens vor. Das Harmonisierungsamt (HABM) bejahte eine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Klage der Anmelderin der Marke „Holzmichel“ hatte keinen Erfolg. Auch das EuG hält die Marken für verwechslungsfähig. Der Durchschnittsverbraucher nehme eine Marke regelmäßig als Ganzes wahr und achte nicht auf Einzelheiten. Der Bestandteil „Michel“ dominiere, so dass die angesprochenen Verkehrskreise in beiden Marken den Personennamen „Michel“ erkennen würden. Das EuG erklärt dies u.a. damit, dass in der deutschen Sprache die Kombination aus einem Namen und einem zusätzlichen Wort nicht ungewöhnlich sei. So gebe es Kombinationen, die den Vornamen mit einem Charakterzug kombinieren, wie bspw. Prozesshansel oder Prahlhans. Gelegentlich werde aber auch der Vorname mit einem Beruf oder einer Tätigkeit kombiniert, wie beim Ziegenpeter. Somit sei der „Holzmichel“ eine Person namens Michel, die mit Holz in Verbindung gebracht werden könne.
Praxishinweis:
Ob die Entscheidung richtig ist, muss bezweifelt werden. „Holzmichel“ steht nämlich nicht für irgendeinen „Michel“, der mit Holz in Verbindung gebracht werden kann, sondern für den Holzmichel. Es gibt ihn nur einmal, es ist eine Gesamtbezeichnung für eine einzige Person. Möglicherweise verfügte das EuG insoweit aber nicht über genügend Sachverhaltskenntnis.
Wenn für die Bildung einer zusammengesetzten Wortmarke eine vorbestehende Marke verwendet wird, ist dennoch Vorsicht geboten. Wie dieser Fall zeigt, gilt der Grundsatz, wonach der Verkehr dem Wortanfang eine größere Bedeutung beimisst als dem Wortende, nicht ausnahmslos. Eine verallgemeinernde Betrachtung verbietet sich.