Sofern der Geschäftsführer einer GmbH über § 64 GmbHG durch einen Insolvenzverwalter in Anspruch genommen wird, muss der Insolvenzverwalter zunächst im ersten Schritt die Überschuldung der GmbH darlegen, z. B. durch Vorlage einer Handelsbilanz in Verbindung mit der Behauptung es seien keine stillen Reserven sowie keine aus der Bilanz ersichtlichen Vermögenswerte vorhanden. Hat der Insolvenzverwalter damit die Überschuldung der GmbH dargelegt ist es an dem in Anspruch genommenen Geschäftsführer darzulegen, dass seine Gesellschaft zum Zeitpunkt der geleisteten Zahlung nicht überschuldet gewesen sei. Dieser sogenannten sekundären Darlegungslast genügt der Geschäftsführer nicht, wenn er lediglich von der Handelsbilanz abweichende Werte behauptet. Der Geschäftsführer muss substantiiert zu in der Bilanz nicht abgebildeten Werten oder etwaigen stillen Reserven vortragen, um seine Haftung nach § 64 GmbHG zu entgehen.
Der Kläger als Insolvenzverwalter nimmt auf der Grundlage des § 64 GmbHG den Geschäftsführer der insolventen GmbH persönlich in Anspruch. Seit Ende 2004 bis zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wies die Bilanz der GmbH stets einen durch Eigenkapital nicht gedeckten Fehlbetrag aus. Ungeachtet dessen setzte der Beklagte als Geschäftsführer den Geschäftsbetrieb bis Ende 2008, also über weitere 4 Jahre, fort. Im Prozess behauptete der Insolvenzverwalter die GmbH sei spätestens seit Ende 2007 überschuldet und zahlungsunfähig gewesen. Auf der Grundlage des § 64 GmbHG begehrt der Insolvenzverwalter als Kläger von dem Beklagten als Geschäftsführer der insolventen GmbH Ersatz für alle im Jahr 2008 geleisteten Zahlungen. Im landgerichtlichen und nachfolgenden oberlandesgerichtlichen Verfahren ging der Streit insbesondere darum, welche der Parteien zu welchem Zeitpunkt den Beweis zum Überschuldungsstatus der GmbH führen muss.
Der Bundesgerichtshof hat schließlich entschieden, dass bei der Prüfung der Überschuldung im Sinne von § 19 InsO einer vom Insolvenzverwalter vorgelegten Handelsbilanz lediglich eine sogenannte indizielle Bedeutung zukomme. Sofern der Insolvenzverwalter jedoch im Prozess vorträgt, es seien keine stillen Reserven und keine sonstigen aus der Handelsbilanz nicht ersichtlichen Vermögenswerte bei der GmbH vorhanden, reicht dieser Sachvortrag nach Auffassung des BGH im ersten Schritt für die Annahme einer Überschuldung im Sinne von § 19 InsO aus. Danach kippt die Darlegungslast auf den Geschäftsführer, welcher im Rahmen seiner sogenannten sekundären Darlegungslast jetzt im Einzelnen vortragen muss, welche stillen Reserven oder sonstigen für die Überschuldungsbilanz maßgeblichen Werte in der Handelsbilanz der GmbH nicht abgebildet sind. Hier reicht es für den Geschäftsführer nicht aus, pauschal von der Handelsbilanz abweichende Werte zu behaupten. Der Geschäftsführer muss vielmehr für das Gericht nachvollziehbar und detailliert zu stillen Reserven und nicht in der Handelsbilanz sonstigen abgebildeten Werten vortragen. Der BGH lässt es nicht ausreichen, dass lediglich durch den Geschäftsführer pauschal behauptet wird, der wahre Wert bestimmter Waren läge deutlich oberhalb des bilanzierten Einkaufswertes. Kann der Geschäftsführer zu den vorgenannten Positionen der Handelsbilanz nicht konkret vortragen, droht bei der vorliegenden Fallgestaltung die persönliche Haftung des Geschäftsführers über § 64 GmbHG.
Praxishinweis:
Grundsätzlich ist es dem Geschäftsführer lt. § 64 GmbHG verboten, Zahlungen aus dem Vermögen der GmbH nach Eintritt der materiellen Insolvenzreife an Dritte zu leisten. Bei Verstoß haftet der Geschäftsführer für den Ersatz der Zahlungen persönlich. Wichtig ist darauf zu achten, dass nicht die Handelsbilanz, sondern eine Überschuldungsbilanz von Bedeutung für die Frage ist, inwieweit die Gesellschaft überschuldet ist oder nicht. In der Überschuldungsbilanz werden auch stille Reserven und sonstige aus einer Handelsbilanz nicht ersichtlichen Vermögenswerte berücksichtigt. Diese Grundsätze muss ein Geschäftsführer beachten, wenn er mit Hilfe seiner Berater überprüft, ob die Gesellschaft überschuldet ist oder nicht (BGH, Urteil vom 19.11.2013 – II ZR 229/11).
In diesem Zusammenhang ist noch eine weitere Entscheidung des BGH vom 05.12.2013 von Bedeutung. Im Rahmen der Ermittlung drohender Zahlungsunfähigkeit lt. §§ 133 Abs. 2, 18 Abs. 2 InsO sind in die Prognose für die Prüfung drohender Zahlungsunfähigkeit auch Zahlungspflichten der Gesellschaft einzubeziehen, deren Fälligkeit im Prognosezeitraum nicht sicher, aber überwiegend wahrscheinlich ist. Dies wird bei der Aufstellung einer Überschuldungsbilanz zur Feststellung drohender Zahlungsunfähigkeit von deren Geschäftsführern, aber auch den Gesellschaftern gern übersehen (BGH, Urteil vom 05.12.2013 – IX ZR 93/11).
Rechtsanwalt Frank-Thoralf Hager
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht