Sofern der Aufsichtsrat ein Vorstandsmitglied abberufen möchte, muss er dem abzuberufenden Vorstand einen entsprechenden Beschluss bekanntgeben, welcher dem Vorstandsmitglied zwingend zugehen muss.
Will der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft ein Vorstandsmitglied abberufen, muss er im 1. Schritt einen schriftlichen Beschluss fassen. Die Beschlussfassung allein führt jedoch noch nicht unmittelbar zum Widerruf der Bestellung des abzuberufenden Vorstandsmitglieds. Vielmehr ist im 2. Schritt die Bekanntgabe des Aufsichtsratsbeschlusses an den Abzuberufenden zwingend erforderlich
Die Erklärung des Widerrufs der Bestellung wird auch nicht dadurch ersetzt, dass dem abzuberufenden Vorstandsmitglied der Beschluss des Aufsichtsrates durch das Handelsregister übermittelt wird. Das Handelsregister wird nämlich für den Fall der Bekanntgabe von Amts wegen einzutragender Tatsachen in solchen Fällen nicht als Bote des Aufsichtsrates tätig, es übermittelt also aufgrund eines privatrechtlichen Auftrages keine fremde Willenserklärung. Auch ersetzt die Tatsache, dass ein solcher Beschluss des Aufsichtsrats dem abzuberufenden Vorstandsmitglied in irgendeiner Weise bekanntgeworden ist, nicht den Zugang einer solchen Erklärung des Aufsichtsrates an den abzuberufenden Vorstand. Dies gilt selbst dann, wenn das abzuberufende Vorstandsmitglied den Beschluss des Aufsichtsrats mittels Klage angreift.
Praxishinweis
In der Praxis ist zu beachten, dass für die Abberufung eines Vorstandsmitgliedes hohe materielle und formelle Hürden existieren. Die Beschlussfassung des Aufsichtsrates und ordnungsgemäße Bekanntgabe an das abzuberufende Vorstandsmitglied dienen als formelle Anforderungen der Rechtssicherheit, insbesondere im Hinblick auf den genauen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Abberufung des Vorstandsmitglieds. Zudem existieren strenge materielle Anforderungen, wonach der Widerruf der Bestellung des Vorstandsmitglieds während der Zeitspanne seiner Bestellung nur aus wichtigem Grund zulässig ist. Damit soll in der Praxis die Unabhängigkeit des Vorstandes im Rahmen der Unternehmensführung gesichert werden. Ziel des Gesetzgebers ist es, eine jederzeitige sofortige Abberufung unliebsamer Vorstandsmitglieder zu verhindern, was u. a. zugleich auch eine Schutzfunktion im Hinblick auf die Aktionäre erfüllt.
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OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 07.07.2015 – 5 U 187/14 = Weck RS 2015, 14695
Rechtsanwalt Frank-Thoralf Hager
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht