Es kommt zwar nicht häufig vor, geschieht aber von Zeit zu Zeit: Bei Bauarbeiten wird ein Stromkabel beschädigt, durch die Versorgungsunterbrechung kommt es zu einem Produktionsausfall. Das so geschädigte Unternehmen möchte natürlich wissen, wer den Schaden ersetzt. In bestimmten Konstellationen lautet die Antwort leider: Niemand.
1. Wenn das ausführende Bauunternehmen nicht im Auftrag des geschädigten Unternehmens tätig war, besteht zwischen diesen kein Vertrag, es kommt nur eine Haftung aus so genannter unerlaubter Handlung (§ 823 Abs. 1 BGB) in Betracht. Von dieser Vorschrift wird indessen nur eine Verletzung des Eigentums oder sonstiger absoluter Rechte, nicht aber ein bloßer Vermögensschaden umfasst. Wenn durch den Stromausfall also etwas zerstört wird, ist dieser Schaden ersatzfähig (vgl. z.B. BGHZ 41, 123 für durch den Stromausfall verdorbene Eier), der reine Produktionsausfall ist es hingegen nicht, weil er bloßer Vermögensschaden ist.
Als ein absolutes Recht hat die Rechtsprechung darüber hinaus das „Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb“ anerkannt. Dessen Verletzung führt indessen nur dann zu einem Schadenersatzanspruch, wenn der Eingriff des Schädigers betriebsbezogen und unmittelbar, also direkt gegen das Unternehmen gerichtet ist. Das ist bei einer versehentlichen Zerstörung von Stromleitungen bei Bauarbeiten aber in der Regel nicht der Fall, das geschädigte Unternehmen regelmäßig nur ein „Zufallsopfer“ (BGHZ 29, 65).
Denkbar wäre auch eine Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB. Das würde aber voraussetzen, dass das Bauunternehmen ein Gesetz verletzt hätte, das gerade dem Schutz des geschädigten Stromkunden dient (Schutzgesetz). Die Bauordnungen der Bundesländer enthalten – in unterschiedlichen Ausgestaltungen – die Vorschrift, dass bei Bauarbeiten Versorgungsanlagen besonders zu schützen sind. Diese Regelungen bestehen indessen nach Ansicht der Rechtsprechung nur im öffentlichen Interesse und stellen keine Schutzgesetze zu Gunsten der Stromkunden dar (BGH, NJW 1976, 1740).
2. Eine Haftung des Netzbetreibers besteht nur, wenn dieser für den Schaden aufgrund einer eigenen Pflichtverletzung verantwortlich ist oder sich Pflichtverletzungen von ihm Beauftragter zurechnen lassen muss.
Zwar ist der Netzbetreiber unmittelbarer Vertragspartner des geschädigten Unternehmens, es besteht ein so genannterNetzanschlussvertrag, weshalb ein Schadenersatzanspruch aus Vertragsverletzung (der auch reine Vermögensschäden erfassen würde) grundsätzlich in Betracht kommt.
Wie jeder Schadenersatzanspruch setzt dieser aber eine schuldhafte Pflichtverletzung durch den Netzbetreiber voraus. Dieser müsste also am Schaden „schuld sein“. Eine solche Pflichtverletzung liegt jedoch grundsätzlich nicht vor, wenn ein Dritter (das Bauunternehmen) die Leitung beschädigt. Dafür kann der Netzbetreiber grundsätzlich nichts. Eine schuldhafte Pflichtverletzung durch den Netzbetreiber wäre daher nur denkbar, wenn sich Pflichtverletzungen des Netzbetreibers nachweisen ließen (z.B. der Netzbetreiber erteilt dem Bauunternehmen falsche Angaben über die Lage von Erdkabeln).
Ebenfalls denkbar ist eine Haftung des Netzbetreibers, wenn das Bauunternehmen in seinem Auftrag tätig geworden ist. Dann muss sich der Netzbetreiber dessen Verschulden zurechnen lassen.