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Arbeit & Soziales

Mindestlohn-Regelung ab 2015 – Herausforderungen bei der Gestaltung und Änderung von Arbeitsverträgen

Mit dem Beschluss des Bundesrates zum sogenannten „Tarifautonomiestärkungsgesetz“ (Gesetz- entwurf BT-Drs.18/1558 vom 28.05.2014; Beschlussempfehlung BT-Drs. 18/2010; Gesetzesbeschluss des Bundestages vom 03.07.2014) am 11.07.2014 ist das Gesetzgebungsverfahren zur Einführung eines flächendeckenden bundesweiten Mindestlohnes abgeschlossen.

Mit Blick auf das Inkrafttreten ab 01.01.2015 und in Ansehung der bisher schon bestehenden Regelungen und deren Anwendungspraxis ist es arbeitgeberseitig geboten, nun zügig die Konsequenzen des Gesetzes zu beleuchten sowie – mindestens im Kontext ggf. gerade aktuell laufender oder anstehender Arbeitsvertragsgestaltungen und/oder Tarifverhandlungen/ Ver- handlungen über eine Betriebsvereinbarung – Schlussfolgerungen für die betriebliche Praxis zu ziehen. Spätestens mit Inkrafttreten ergeben sich auf jeden Fall Folgen aus der gesetzlichen Regelung in der Praxis der Abwicklung der Vergütungsabrechnung und -zahlung. Angesichts der Haftungsregelung für Auftraggeber von Werk- und Dienstleistungen können auch nicht unmittelbar betroffene Unternehmen von den gesetzlichen Regelungen berührt sein.

Was sind die Eckpunkte der Regelung?

Ab 01.01.2015 wird ein bundesweiter Mindestlohn in Höhe von 8,50 € (brutto) je Zeitstunde eingeführt.

Tarifverträge mit anderen Mindestlohnregelungen sollen bis Ende 2017 weiter gelten können, ab 01.01.2017 muss aber mindestens ein Entgelt von 8,50 € je Zeitstunde brutto vorgesehen sein.

Ab 01.01.2017 erfolgt eine Anpassung des Mindestlohnes und dann aller 2 Jahre.

Über das schon existierende und bewährte System der Allgemeinverbindlichkeitserklärung können über ein gesetzlich reglementiertes Verfahren Tarifverträge einzelner Branchen auch in Zukunft auf nicht tarifgebundene Arbeitnehmer und Arbeitgeber ausgedehnt werden und insofern auch branchenspezifisch abweichende (mittelfristig stets höhere) Mindestlöhne bestimmen.

Welche Rahmenbedingungen und Mechanismen bestehen grundsätzlich?

Die Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf Zahlung des Arbeitsentgeltes mindestens in Höhe des Mindestlohnes.

Bezahlt wird die tatsächlich anfallende Arbeitszeit. Der Mindestlohn bezieht sich auf die Zeitstunde. Die Vereinbarung von Stücklöhnen und Akkordlöhnen bleibt zulässig, wenn gewährleistet ist, dass der Mindestlohn für die geleisteten Arbeitsstunden mindestens erreicht wird.

Der Mindestlohn ist zum Zeitpunkt der vereinbarten Fälligkeit, spätestens am letzten Bankarbeitstag (Frankfurt am Main) des Monats, der auf den Monat folgt, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde, fällig (= letzter Bankarbeitstag des Folgemonats).

Nur auf der Grundlage eines schriftlich vertraglich vereinbarten Arbeitszeitkontos kann die über die vertraglich vereinbarte (regelmäßige) Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit vorerst in einem Arbeitszeitkonto geführt werden, ohne dass eine sofortige Auszahlung des Mindestlohnes erforderlich ist, wenn in einem Ausgleichszeitraum innerhalb von12 Kalendermonaten nach ihrer monatlichen Erfassung ein Ausgleich durch bezahlte Freizeitgewährung oder Zahlung des Mindestlohnes erfolgt. Im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind nicht ausgeglichene Arbeitsstunden spätestens in dem auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgenden Kalendermonat auszugleichen.

In das Arbeitszeitkonto können monatlich max. 50 % der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit eingestellt werden, ohne dass es vorerst einer Auszahlung bedarf.

Von den gesetzlichen Regelungen abweichende Regelungen sind unwirksam.

Eine Verwirkung des Anspruchs (durch Ausschlussfristen) ist ausgeschlossen.

Das Gesetz gilt für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Pflichtpraktika sowie freiwillige Praktika von bis zu drei Monaten sind während der Ausbildung oder einem Studium von der Mindestlohnregelung ausgenommen. Mit dem Berufsabschluss gilt der Mindestlohn grundsätzlich auch für Praktikanten.  Noch während des Gesetzgebungsverfahrens ist im Übrigen nach der ersten Lesung des Gesetzes eine Änderung des Nachweisgesetzes beschlossen worden, die für Praktikumsverhältnisse gilt.

Bis Ende 2016 gibt es Ausnahmen, etwa für Zeitungszusteller und Saisonarbeiter.

Jugendliche unter 18 Jahren sind von der Regelung ganz ausgenommen.

Langzeitarbeitslose, die eine Beschäftigung finden, haben erst nach sechs Monaten im neuen Job Anspruch auf den Mindestlohn.

Der allgemeine Mindestlohn bildet spätestens ab 01.01.2017 die unterste Grenze, die auch von Branchenmindestlöhnen nicht unterschritten werden darf.

Es bestehen Sanktionsmechanismen über Ordnungswidrigkeitsregelungen und zum Ausschluss von öffentlichen Aufträgen.

Hinzuweisen ist auf die Tatsache, dass bereits bestehende Mindestlohnregelungen natürlich an sich weiter gelten und im Übrigen auch ansonsten für Arbeitnehmer geltende günstigere Regelungen aus Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen, soweit sie auf die Arbeitsverhältnisse anwendbar sind, unberührt bleiben.

Was muss man aus der bisherigen Praxis im Blick behalten?

Es gilt der – aus der bereits bestehenden Mindestlohnpraxis althergebrachte und in das Gesetz übernommene – Grundsatz der Bezahlung der Zeitstunde für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden. Die monatlich geleisteten Stunden sind für den Monat zum Fälligkeitszeitpunkt auszuzahlen. Davon kann nur abgewichen werden, wenn ein schriftlich vereinbartes Arbeitszeitkonto besteht. Für den Ausgleich der dort angesammelten Stunden gelten die im Gesetz niedergelegten Zeitkorridore.

Soweit also real „Überstunden“ anfallen, bedarf es entweder der sofortigen Bezahlung oder der Schaffung eines Arbeitszeitkontos und entsprechender schriftlicher Vereinbarungen. Für verstetigte Vergütungen besteht eine Ausnahme, soweit der Anspruch auf den Mindestlohn für die geleisteten Arbeitsstunden bereits durch Zahlung des verstetigten Arbeitsentgelts erfüllt ist.

Beim Mindestlohn handelt es sich um einen Bruttostundenlohn. Bei geringfügigen Arbeitsverhältnissen (Entgeltgeringfügigkeit), ist bei der Prüfung, ob der Mindestlohn gewahrt ist, die Summe der Arbeitsstunden unter Berücksichtigung des Stundesatzes von 8,50 € in das Verhältnis zum monatlichen Zahlbetrag (bei voller Ausschöpfung der Grenzen: 450 €) zu setzen. Befristet sind auch die Regelungen über die Zeitgeringfügigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV abgeändert worden.

Bisher galten folgende Grundsätze für die Mindestlohnermittlung, die mangels anderweitiger gesetzlicher Regelung wohl weiter zu beachten sind:

  • Vom Arbeitgeber gezahlte Zulagen oder Zuschläge werden als Bestandteile des Mindestlohns berücksichtigt, wenn ihre Zahlung nicht von einer Arbeitsleistung des Arbeitnehmers abhängt, die von der geschuldeten vorgesehenen Normalleistung abweicht. Das waren bisher der Bauzuschlag und Zulagen, die im Arbeitsvertrag als Differenz zwischen dem heimischen Lohn und dem geschuldeten Mindestlohn ausgewiesen waren.
  • Unter bestimmten Voraussetzungen waren weitere Zulagen und Zuschläge zu berücksichtigen.
  • Nicht berücksichtigt wurden u. a.
    • Akkordprämien
    • Qualitätsprämien
    • Zuschläge für Arbeit zu besonderen Zeiten (unter bestimmten Prämissen: Überstunden, Sonn- oder Feiertagsarbeit)
    • Arbeit unter erschwerten oder gefährlichen Bedingungen (Schmutzzulagen, Gefahrzulagen etc.)
  • Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld wurden als Bestandteil des Mindestlohnes gewertet, wenn der Arbeitnehmer den auf die „Entsendezeit“ (Bemessungszeitraum) entfallenden anteiligen Betrag jeweils zu dem für den Mindestlohn maßgeblichen Fälligkeitsdatum tatsächlich und unwiderruflich ausbezahlt erhält.
  • Bei der Berechnung des Mindestlohnes bleiben Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung außer Betracht.

Unter Berücksichtigung des Vorstehenden gilt es, alle bisher bestehenden arbeitsvertraglichen Regelungen über

  • die Arbeitszeiten und
  • die jeweils geschuldete in Relation stehende Arbeitsvergütung

im Hinblick auf den Geldfaktor des Mindestlohnes und die reale Arbeitszeit im Kalendermonat auf die Frage abzugleichen, ob mindestens der Mindestlohn für jede tatsächlich geleistete Arbeitsstunde (Zeitstunde) tatsächlich gewährt und gezahlt wird oder zulässig in ein Arbeitszeitkonto unter bestimmten Voraussetzungen übertragen wird.

Zulagen und Zuschläge bzw. Regelungen über Weihnachts- und Urlaubsgeld oder sonstige zusätzliche Zahlungen sind darauf zu prüfen, ob sie im Mindestlohn anrechenbar sind oder nicht.

Welche Schlussfolgerungen bestehen?

Arbeitgeberseitiger Handlungsbedarf besteht bereits strategisch und nicht erst mit Inkrafttreten der Regelung. Rüsten Sie sich also rechtzeitig für die Bewältigung der Herausforderungen.

Ansprechpartner in unserer Kanzlei sind die dem Team Soziales und Arbeit angehörigen Rechtsanwälte Falk Zirnstein (Fachanwalt für Arbeitsrecht), Matthias Hieke und Hagen Albus (Fachanwalt für Arbeitsrecht).

Rechtsanwalt Falk Zirnstein Fachanwalt für Arbeitsrecht