Oft sind die Höhe der Kosten von Sachverständigen – insbesondere bei Auseinandersetzungen im Baubereich – ein Kriterium für ein wirtschaftlich sinnvolles Verfahren sowie deren Kostentragung ein Streitpunkt. Nicht selten staunen die Verfahrensbeteiligten über Inhalt und Höhe von Abrechnungen der Sachverständigen. Das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen (OVG) musste sich in einem Urteil dazu unter anderem über die Lesegeschwindigkeit von Sachverständigen auseinandersetzen.
In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren, in welchem unter anderem die Beantwortung hydrologischer Fragen durch einen Sachverständigen Gegenstand waren, hatte der vom Gericht bestellte Sachverständige allein für das Lesen von 287 Aktenseiten volle 18 Stunden an Zeitaufwand abgerechnet. Der Kostenbeamte des Gerichtes erkannte lediglich 2 Stunden dafür als gerechtfertigt an. Letztendlich musste das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen abschließend mit über die Abrechnung des Sachverständigen entscheiden. Im Ergebnis kam das Gericht zu dem Schluss, dass die vom Sachverständigen berechneten 18 Lesestunden klar überhöht sind.
In seiner Entscheidung hat das OVG u. a. darauf abgestellt, dass ein möglicher Maßstab bzw. eine Vergleichbarkeit darin gesehen wird, dass zum Beispiel im sozialgerichtlichen Verfahren, dort insbesondere bei medizinischen Fragestellungen, die Rechtsprechung davon ausgehe, dass bei durchschnittlicher Sachverständigen-Arbeitsintensität von einer Lesegeschwindigkeit von 50 – 200 Seiten pro Stunde ausgegangen wird. Bei den hier vorliegenden „echten“ 237 Seiten der Gerichtsakte ist aus Sicht des OVG eine Lesezeit von 2 Stunden angemessen. Zudem – so das Gericht – war zu berücksichtigen der Sachverständige in der Akte befindliche doppelte Aktenseiten mit in die Abrechnung eingestellt hat. Doppelungen ergaben sich, da ein Teil der Unterlagen vorab per FAX zur Gerichtsakte gelangt waren. Der reale zu erfassende Akteninhalt belief sich somit auf 237 Seiten, also 50 Seiten weniger als in der Abrechnung ausgewiesen.
PRAXISHINWEIS:
In der Praxis ist (leider) zu verzeichnen, dass sowohl von Kostenbeamten als auch von den Parteien Abrechnungen der vom Gericht bestellten Sachverständigen moniert werden müssen. Man kann sicher darüber diskutieren, ob im o.a. Fall tatsächlich 2 Stunden angemessen oder als zu niedrig anzusehen sind. Eines zeigt die Abrechnung des dort in Rede stehenden Sachverständigen aber; die Abrechnung war tatsächlich überhöht. Daher ist es sowohl für die Gerichte als auch die Parteien geboten, die von den gerichtlichen Sachverständigen begehrte Vergütung im Einzelfall kritisch zu prüfen und wenn nötig entsprechend Rechtsmittel dagegen einzulegen.
Grundsätzlich ist der Maßstab der, dass der Sachverständige die objektiv notwendigen zeitlichen Aufwendungen erstattet, also vergütet bekommt. Das bedeutet, der jeweils vom Sachverständigen angeführte Zeitaufwand ist unter Zugrundelegung objektiver Maßstäbe zu überprüfen. Dabei ist es selbstverständlich so, dass jeder Fall – auch unter Berücksichtigung der Spezifika des jeweiligen Rechtsgebietes – für sich genommen zu betrachten ist, Grundparameter aber sehr wohl objektivierbar sind. Zudem kommt, dass Im Zeitalter der modernen Kommunikation und Datenverarbeitung notwendige Zeitvolumen insbesondere für „Diktat, Schreiben, Korrektur“ wohl anders zu bemessen sind, als noch vor 20 Jahren. Auf die tatsächlich vom Sachverständigen aufgewandten Stunden kommt es bei der Beurteilung gerade nicht.
Rechtsanwalt Mirko Zebisch
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht