Katzen sollen bekanntlich 7 Leben haben, was auch auf manch eine GmbH zutrifft. Unternehmer stehen oft vor der Entscheidung eine neue GmbH zu gründen oder schnell einen „leeren“ GmbH-Mantel zu reaktivieren. Dieser wird dann mit neuer Geschäftsführung und neuen Gesellschaftern ausgestattet sowie der Unternehmensgegenstand geändert und alles zusammen weiterbetrieben. Oft werden dabei die rechtlichen und letztlich wirtschaftlichen Risiken übersehen.
Nun hatte der BGH die Möglichkeit über die Anwendung der Grundsätze der wirtschaftlichen Neugründung einer GmbH in der Liquidation der Gesellschaft zu entscheiden.
In dem zu entscheidenden Fall war eine GmbH gegründet worden deren alleiniger Gesellschafter – Geschäftsführer der Ehemann der späteren Beklagten war. Im Jahr 2004 wurde die Gesellschaft aufgelöst, der Ehemann der Beklagten fungierte als Liquidator. Im nachfolgenden Jahr ruhte der operative Geschäftsbetrieb; 2006 wurde er wieder aufgenommen. Mit Wiederaufnahme trat der Ehemann seinen Geschäftsanteil an seine Ehefrau ab, wobei parallel dazu die Firma geändert wurde.
Ende 2009 fiel die GmbH in Insolvenz. Der Insolvenzverwalter nahm die Ehefrau als Beklagte wegen fehlender Offenlegung einer wirtschaftlichen Neugründung nach den Grundsätzen der Vorbelastungs-/ Unterbelastungshaftung in Anspruch. Durch Landgericht und Oberlandesgericht wurde die Haftung der Beklagten in Höhe der Differenz zwischen Stammkapital der GmbH und dem zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung vorhandenen Vermögen bejaht. Nach Auffassung beider Gerichte habe es sich bei der Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes der GmbH um eine wirtschaftliche Neugründung gehandelt.
Der BGH konnte sich in seiner Entscheidung u. a. mit der Rechtsfrage beschäftigen, inwieweit die Grundsätze der wirtschaftlichen Neugründung einer GmbH auch auf die Liquidation der Gesellschaft Anwendung finden. Er stellte in seiner Entscheidung klar, dass die Auflösung und Liquidation der Gesellschaft nicht automatisch zu einer Qualifikation als „leere“ unternehmenslose Hülle führt. Es sei im Einzelfall zu entscheiden, ob die Gesellschaft in irgendeiner Weise noch tätig sei, sei es auch nur noch in sehr geringem Umfang.
Grundsätzlich würde die Ehefrau als Erwerberin des Geschäftsanteils gemäß § 16 Abs. 3 GmbHG a.F. haften, sofern es sich bei der Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes der GmbH durch den Ehemann im Jahr 2006 um eine wirtschaftliche Neugründung gehandelt hätte. Im entschiedenen Fall blieb diese Frage offen.
Ein unternehmensloser GmbH-Mantel sei nicht bereits deshalb anzunehmen, da sich die GmbH bereits in Liquidation befand. Dies sei nur dann denkbar, wenn keine nennenswerte Liquidationstätigkeit im Sinne von § 70 GmbHG festgestellt werden könne. Der BGH stellt in seiner Entscheidung fest, dass auch bei Vorliegen einer wirtschaftlichen Neugründung die Haftung der Beklagten auf die Differenz zwischen dem statuarischen Stammkapital (hier EUR 25.000,00 €) und dem Vermögen der GmbH zum Zeitpunkt der wirtschaftlichen Neugründung begrenzt sei.
Praxishinweis:
Nach der Rechtsprechung liegt eine wirtschaftliche Neugründung dann vor, wenn eine zuvor noch nicht geschäftlich tätige Vorratsgesellschaft erstmals ein Unternehmen aufnimmt oder ein unternehmensloser GmbH-Mantel mit zwischenzeitlich eingestelltem Geschäftsbetrieb wieder reaktiviert wird. Dabei reicht eine bestehende Liquidation für die Annahme einer wirtschaftlichen Neugründung allein noch nicht aus. Die Rechtsprechung zur wirtschaftlichen Neugründung will sicherstellen, dass das satzungsmäßige Stammkapital zum Zeitpunkt der wirtschaftlichen Neugründung vollständig vorhanden ist. Dazu verlangt die Rechtsprechung die Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung gegenüber dem Registergericht.
Der Geschäftsführer muss laut § 8 Abs. 2 GmbHG versichern, dass jene in § 7 Abs. 2 und 3 GmbHG bezeichneten Leistungen auf die Geschäftsanteile tatsächlich erbracht worden sind und sich zu seiner freien Verfügung befinden. Gleiches gilt für die erstmalige Aufnahme der Geschäftstätigkeit durch eine Vorratsgesellschaft.
Die Praxis sollte wissen, dass den Gesellschaftern bei einer unterlassenen Offenlegung keine zeitlich unbegrenzte Unterbilanzhaftung droht, diese lediglich auf die Differenz zwischen dem Stammkapital und dem Vermögen zum Zeitpunkt der erstmaligen Manifestation der wirtschaftlichen Neugründung nach außen begrenzt wird. Dies kann z. B. durch die Registeranmeldung und der damit verbundenen Änderung der Satzung oder in der Geschäftsführung oder durch die Aufnahme der Geschäftstätigkeit selbst geschehen.
Schließlich hat der BGH entschieden, dass der Rechtsnachfolger gemäß § 16 GmbHG gleichfalls haftet.
Für die Praxis bleiben die Abgrenzungsprobleme zwischen einer Auflösung und Liquidation der Gesellschaft und der Annahme der GmbH als leere unternehmenslose Hülle bestehen und werden im Einzelfall immer gesondert zu prüfen sein. Dies gilt auch für die Abgrenzung zu einer bloßen Umorganisation zur wirtschaftlichen Neugründung.
Es ist also Vorsicht geboten, wenn ein „leerer“ GmbH-Mantel reaktiviert und mit neuen Gesellschaftern sowie Geschäftsführung und geändertem Unternehmensgegenstand weiterbetrieben werden soll. Nicht selten werden ohne über die Rechtsfolgen überhaupt nachzudenken durch die Praxis leere GmbH-Mäntel reaktiviert und weiterbetrieben. Die dabei bestehenden Haftungsrisiken werden dabei durch die handelnden Personen leider oft außer Acht gelassen, was in der Praxis nicht zu empfehlen ist.
Rechtsanwalt Frank-Thoralf Hager
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht