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Bauen & Immobilien

Gewerblicher Mietvertrag: Anfängliche Mängel, schweigendes Übergabeprotokoll und Schadenersatz trotz Haftungsbeschränkungen

Mit Urteil vom 31.03.2021 (Aktenzeichen: 5 U 2160/20) hat das OLG Dresden in einem von uns geführten Verfahren über wichtige Fragen des gewerblichen Mietrechts entschieden.

Unsere Mandantin hatte in und von einer sächsischen Landeshauptstadt ein neu errichtetes Gebäude zum Betrieb einer Obdachlosenunterkunft gemietet. Nach einiger Zeit zeigten sich feuchte Stellen an einzelnen Wänden, deren Herkunft zunächst unklar war. Eine Begehung durch den Architekten des Neubaus brachte ebenfalls keine Erkenntnisse. Durch eine spätere sachverständige Begutachtung kristallisierte sich dann aber heraus, dass Wasser aus dem Bereich der Duschräume in den Wandaufbau gedrungen war, wobei eine unzureichende Abdichtung und/oder ein undichter, unter Umständen sogar gelockerter Duschablauf als Ursache in Betracht kamen. Während der erforderlichen Sanierungsarbeiten, musste die Unterkunft für mehrere Monate schließen, in denen unserer Mandantin erhebliche Einnahmen entgingen.

Streitig war zum einen, ob der Duschablauf bereits bei Übergabe locker war oder danach durch Nutzer gelockert wurde. Das OLG Dresden hielt zunächst fest, dass das Übergabeprotokoll insofern nicht aussagekräftig war. Zwar war dort keine Rede von einem lockeren Duschablauf, allerdings sei Derartiges bei einer reinen Sichtkontrolle, wie sie üblicherweise bei Übergabe eines Mietobjekts vorgenommen wird, auch nicht erkennbar gewesen. Damit tritt das OLG dem weit verbreiteten Irrtum entgegen, alles was im Übergabeprotokoll nicht aufgeführt sei, stünde als nicht vorhanden fest und trägt so zur Klärung der noch immer nicht endgültig geklärten Bedeutung und Reichweite eines Übergabeprotokolls bei. Die Behauptung der Vermieterin, dass Nutzer Schrauben am Duschablauf gelockert hätten, verwirft das OLG mangels einer nachvollziehbaren und substantiierten Darlegung. In diesem Fall wäre nach Ansicht des OLG auch zu erwarten gewesen, dass bereits der von der Vermieterin gebundene Architekt bei seiner Begehung nach erstmaligem Bekanntwerden der Durchfeuchtungen eine solche Manipulation festgestellt hätte.

Fast jeder Schadenersatzanspruch setzt zudem ein Verschulden voraus. Das traf die Vermieterin zwar nicht selbst, sondern die von ihr mit dem Neubau beauftragten Handwerker und Architekten. Deren Nachlässigkeiten muss sich die Vermieterin aber nach Auffassung des OLG Dresden zurechnen lassen.

Dass der Mietvertrag eine ganze Reihe von Haftungsbeschränkungen zu Gunsten der Vermieterin enthielt, stand dem Anspruch der Klägerin nach Ansicht des OLG nicht entgegen, da die vom Vermieter vorgegebenen unsorgfältig formulierten Vertragsklauseln den konkreten Fall gerade nicht abdeckten.

Praxistipp:

Die Entscheidung ruft ins Bewusstsein, dass fast jeder Schadenersatzanspruch ein Verschulden voraussetzt, der in Anspruch genommene also „etwas dafür können muss“. Unter Umständen muss er sich dabei das Verschulden Dritter zurechnen lassen.

Auch zur Klärung von Bedeutung und Reichweite eines Übergabeprotokolls im Mietrecht trägt die Entscheidung bei.

Schließlich zeigt die Entscheidung erneut, dass die Formulierung von Haftungsbeschränkungsklauseln – auch aber nicht nur – in Mietverträgen anspruchsvoll ist und nicht jede Klausel auch das hält, was sie zu versprechen scheint.

Jörg Weinreich
Rechtsanwalt