Recht haben ist die eine Sache, Recht bekommen, eine andere.
Selten zeigt sich die Wahrheit dieser alten Volksweisheit so deutlich, wie bei der zeitlichen Beschränkung der Durchsetzbarkeit von Ansprüchen durch zu beachtende Fristen, z.B. gegen einen Vertragspartner oder einen Unfallgegner.
Ansprüche können zum einen verjähren. Nach Eintritt der Verjährung ist der Schuldner berechtigt, die von ihm eigentlich geschuldete Leistung zu verweigern. Die deutsche Rechtslage ist dabei so gestaltet, dass der Anspruch zwar weiterhin besteht, aber nicht mehr gerichtlich durchgesetzt werden kann. Eine unnötige Konstruktion? Nicht ganz. Sie hat nämlich zur Folge, dass der an sich verjährte Anspruch nicht völlig wertlos wird. Unter bestimmten Voraussetzungen kann er Ansprüchen des Gegners, z.B. noch mit einer Aufrechnung oder im Wege der Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts, entgegengehalten werden.
Die so genannte regelmäßige Verjährungsfrist gilt für eine Vielzahl von Ansprüchen. Sie beginnt am Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger den Anspruch kennt oder zumindest kennen muss. Die Frist selbst beträgt ab diesem Zeitpunkt 3 Jahre. Zum 31.12.2016 findet somit wieder eine Zäsur für alle derartigen Ansprüche statt, welche im Jahr 2013 entstanden sind.
Allerdings sind einige Sonderregelungen zu beachten. So verjähren z.B. Gewährleistungsansprüche aus einem Kaufvertrag grundsätzlich nach 2 Jahren und auch dies nicht ab dem Jahresende, sondern ab Übergabe des gekauften Gegenstandes. Für eine Vielzahl von Fällen gelten andere abweichende – längere oder kürzere – hier nicht behandelte Verjährungsfristen.
Einige Ansprüche unterliegen auch so genannten Ausschlussfristen. Solche sind oft erheblich kürzer, als die Verjährungsfrist und teilweise auch leicht zu übersehen. Ausschlussfristen können daher in einigen Fällen für unangenehme Überraschungen sorgen. Dies gilt z.B. für viele Ansprüche aus Arbeitsverträgen. So können Ausschlussfristen in Tarifverträgen „versteckt“ sein. In solchen Fällen können Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis in relativ kurzer Zeit verfallen (oft beträgt die Frist nur wenige Monate), ohne dass dies auf den ersten Blick in dem Arbeitsvertrag erkennbar wäre. Auch Arbeitsverträge an sich können solche Fristen enthalten.
Während die Verjährung vom Gericht nur beachtet wird, wenn sich der Schuldner darauf beruft, sind Ausschlussfristen von Gerichten „von Amts wegen“ zu berücksichtigen.
Rechte können zudem durch die Versäumung sonstiger Fristen gefährdet sein. So muss der Vermieter innerhalb von 12 Monaten nach Ende des Abrechnungsjahres über die Betriebskosten abrechnen, der Mieter innerhalb von weiteren 12 Monaten eventuelle Einwendungen gegen die Abrechnung geltend machen.
Schließlich können Rechte auch verwirkt werden. Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat – und sich nach dem Verhalten des Berechtigten auch darauf einrichten durfte -, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht mehr geltend machen werde. Die Verwirkung kann damit kürzer als die Verjährungsfrist sein. Seitdem der Gesetzgeber im Jahr 2002 die allgemeine Verjährungsfrist von 30 auf 3 Jahre abgekürzt hat, kommt eine Verwirkung aber nur noch in Ausnahmefällen in Betracht.
Eine Auswahl wichtiger Fristen haben wir für Sie nachfolgend zusammengestellt. Sollten Sie bei Ihrem Verjährungscheck Unterstützung benötigen, wenden Sie sich vertrauensvoll an uns.
Inhaltsübersicht:
1. Die regelmäßige Verjährungsfrist
2. Hemmung und Neubeginn der Verjährung
3. Weitere Verjährungsvorschriften in der Übersicht
4. Sonstige Fristen im Überblick
5. Schlussbemerkung
1. Die regelmäßige Verjährungsfrist
Die Gesetze regeln eine Vielzahl von Verjährungsvorschriften, abhängig z.B. vom Vertragstyp, dem Vertragsgegenstand oder der Art des Anspruches. Wichtigste Vorschrift ist die so genannte „regelmäßige Verjährungsfrist“ in § 195 BGB.
Die „regelmäßige Verjährungsfrist“ beträgt drei Jahre und beginnt mit Ablauf desjenigen Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger Kenntnis von Anspruch und Schuldner erlangt hat. Diese Frist gilt für die meisten Ansprüche des täglichen Lebens, die nicht anderweitig geregelt sind, zum Beispiel Ansprüche auf Kaufpreis- oder Mietzahlungen.
Es drohen daher Ende 2016 insbesondere Ansprüche aus dem Jahr 2013 zu verjähren.
Im Zusammenhang mit der Regelung des Beginns der regelmäßigen Verjährungsfrist sieht das Gesetz gleichzeitig Höchstfristen vor (10 oder 30 Jahre). Diese begrenzen die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen in zeitlicher Hinsicht, unabhängig davon, ob Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners besteht.
Beachten Sie:
Vorstehendes betrifft nur die regelmäßige Verjährungsfrist. Darüber hinaus bestehen nach wie vor eine Vielzahl anderer Regelungen zur Verjährung.
2. Hemmung und Neubeginn der Verjährung
Der Fristlauf der Verjährung kann zeitweise gestoppt („gehemmt“) werden. Die Verjährung wird u.a. gehemmt durch
- Klageerhebung
- Zustellung eines gerichtlichen Mahnbescheides
- Zustellung eines Beweissicherungsantrages
Die Hemmung bewirkt, dass der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet wird. Mit Ablauf des Zeitraumes der Hemmung läuft die Verjährungsfrist weiter.
Unter bestimmten Voraussetzungen kann die volle Verjährungsfrist erneut zu laufen beginnen („Neubeginn“). Ein solcher Fall liegt grundsätzlich vor, wenn
- der Schuldner den Anspruch anerkennt oder
- eine gerichtliche oder behördliche Vollstreckungshandlung vorgenommen oder beantragt wird.
3. Weitere Verjährungsvorschriften in der Übersicht
Nicht der regelmäßigen Verjährung unterliegen z. B.
- bestimmte Rechte an Grundstücken
- Herausgabeansprüche aus Eigentum und anderen dinglichen Rechten
- Familien- und erbrechtliche Ansprüche
- Ansprüche, die bereits rechtskräftig festgestellt sind (z.B. in einem Urteil, einem vollstreckbaren Vergleich oder anderen vollstreckbaren Urkunden).
Die für die Praxis wichtigsten nunmehr geltenden Verjährungsregelungen haben wir zur Orientierung in Grundzügen in der nachfolgenden Übersicht für Sie zusammengestellt – eine individuelle Prüfung der Verjährung muss dennoch stets im Einzelfall erfolgen.
Wegen der Vielzahl der weiteren Regelungen weisen wir darauf hin, dass die nachfolgende Aufstellung nicht vollständig ist.
6 Monate |
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Miet-/Pachtvertrag |
Schadensersatzanspruch des Vermieters/Verpächters wegen Verschlechterung der Miet-/Pachtsache; Aufwendungsersatzanspruch des Mieters/Pächters |
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Scheck/Wechsel |
Rückgriffsanspruch des Inhabers |
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Leihe |
Schadensersatz wegen Verschlechterung der Leihsache; Verwendungsersatzanspruch |
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1 Jahr |
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Baurecht |
Gewährleistungsansprüche nach VOB/B für feuerberührte und abgasdämmende Teile von industriellen Feuerungsanlagen |
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Reiserecht |
Ansprüche wegen Reisemängeln, falls vertraglich Verkürzung der Frist vereinbart |
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Kaufrecht |
Gewährleistungsansprüche beim Kauf gebrauchter Sachen, falls vertraglich Verkürzung der Frist vereinbart |
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2 Jahre |
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Baurecht |
Gewährleistungsansprüche nach VOB/B für Werke, die keine Bauwerke sind |
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Kaufrecht |
Mängelansprüche bei Kaufvertrag über bewegliche Sachen; Mängelansprüche (Rückgriffsansprüche) von Händlern gegen Vorlieferanten bei neu hergestellten Sachen |
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Werkvertragsrecht |
Mängelansprüche, außer bei Bauwerken |
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Reiserecht |
Ansprüche wegen Reisemängeln |
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3 Jahre regelmäßige Verjährungsfrist |
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Kaufrecht |
Kaufpreisanspruch |
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Werkvertragsrecht |
Werklohnanspruch |
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Arbeitsrecht |
Vergütungsanspruch, Anspruch auf Zeugnis, wenn keine kürzere Ausschlussfrist vereinbart ist |
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Rentenrecht |
Rentenanspruch |
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Verkehrsrecht |
Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld bei Unfall |
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Miet-/Pachtrecht |
Mietzins- Pachtzinszahlung, Rückzahlung Kaution |
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Bereicherungsrecht |
Rückforderungsansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung |
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Familienrecht |
Unterhaltsanspruch |
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Produkthaftungsrecht |
Schadensersatzansprüche |
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allgemein |
Vergütungsansprüche |
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Schadensersatz aus unerlaubter Handlung / Schmerzensgeldanspruch |
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Zinsen |
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4 Jahre |
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Baurecht |
Gewährleistungsansprüche nach VOB/B für Bauwerke |
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5 Jahre |
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Kaufrecht |
Mängelansprüche bei Kaufvertrag über Bauwerke (nur Neubauten) |
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Werkvertragsrecht |
Mängelansprüche bei Arbeiten an Bauwerken |
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Gesellschaftsrecht |
Haftung des Geschäftsführers wegen fehlerhafter Geschäftsführung |
|
10 Jahre |
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Grundstücksrecht |
Ansprüche auf Leistung und Gegenleistung aus einem Grundstücksvertrag |
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30 Jahre |
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allgemein |
rechtskräftig festgestellte Ansprüche; Ansprüche aus vollstreckbaren Vergleichen oder vollstreckbaren Urkunden |
4. Sonstige Fristen im Überblick
Neben der Verjährung gibt es weitere Fristen, deren Versäumung die Durchsetzung von Ansprüchen unmöglich machen kann. Unter anderem sind dies die Folgenden.
1 Monat |
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Reiserecht |
außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen aus Reisemängeln |
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12 Monate |
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Mietrecht |
Frist zur Erstellung der Betriebskostenabrechnung durch Vermieter / Frist für Einwendungen des Mieters gegen die Betriebskostenabrechnung |
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1 Jahr |
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Testament |
Anfechtung kann nur binnen Jahresfrist erfolgen ab Kenntnis des Anfechtungsgrundes, spätestens jedoch 30 Jahre nach Erbfall |
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Arglistige Täuschung |
Anfechtung eines Rechtsgeschäfts wegen arglistiger Täuschung |
Achtung! Diese Fristen sind grundsätzlich nicht verlängerbar und können auch nicht durch die oben unter Ziff. 2 beschriebenen Maßnahmen unterbrochen oder gehemmt werden.
5. Schlussbemerkung
Aufgrund der Komplexität der Regelungen zum Verjährungsrecht können vorstehend nur Grundzüge dargestellt werden. Neben dem BGB sind weitere Rechtsvorschriften zu berücksichtigen, die Regelungen zur Verjährung von Ansprüchen enthalten.
Eine individuelle Prüfung der Verjährungsfrist ist für jeden einzelnen Anspruch geboten.
Nur bei Kenntnis des Einzelfalles kann unter Beachtung aller rechtlichen Regelungen einschließlich der Überleitungsbestimmungen eine Aussage darüber getroffen werden, wann der Anspruch verjährt.