Das LG Schweinfurt hat mit Urteil vom 12.09.2016 (23 S 11/16) die Entscheidungen des AG Bad Kissingen (Urt. v. 19.1.2016, AZ: 72 C 144/15) bestätigt, welches dem Kläger – trotz eines eindeutigen Totalschadens am Fahrzeug – die ihm entstandenen Reparaturkosten vollständig zugesprochen hat.
Das nach dem Unfallereignis durch den Kläger in Auftrag gegebene Gutachten wies Reparaturkosten netto in Höhe von 5.632,54 € aus, der Wiederbeschaffungswert wurde durch den Sachverständigen mit 2.500,00 € und der Restwert mit 100,00 € beziffert.
Im Rahmen der sogenannten Opfergrenze kann der Geschädigte das Fahrzeug instand setzen lassen, wenn die kalkuliertem Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeuges um nicht mehr als 30 % übersteigen, die Reparatur fachgerecht und in dem Umfang durchgeführt wird, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat und der Geschädigte das Fahrzeug nach erfolgter Reparatur noch mindestens 6 Monate weiternutzt.
Obwohl die voraussichtlichen Reparaturkosten die Opfergrenze von 130 % des ungekürzten Wiederbeschaffungswertes in Höhe von 3.250,00 € überstiegen, ließ der Kläger dennoch sein Fahrzeug reparieren. Das Fahrzeug wurde von der Reparaturwerkstatt fachgerecht und vollständig nach den Vorgaben des Sachverständigen durch den Einbau von Gebraucht- statt Neuteilen instandgesetzt, wodurch Reparaturkosten in Höhe von 3.199,16 € angefallen sind.
Die Beklagte zahlte daraufhin lediglich den Wiederbeschaffungsaufwand i.H.v. 2.400,00 €.
Das LG Schweinfurt hat der Klage auf Ersatz des Differenzbetrages zu den tatsächlich entstandenen Reparaturkosten stattgegeben. Begründet wurde dies damit, dass jedenfalls in den Fällen, in denen die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten über der 130 %-Grenze liegen, es dem Geschädigten aber – auch unter Verwendung von Gebrauchtteilen – gelungen ist, eine fachgerechte und auf den Vorgaben des Gutachtens entsprechende Reparatur durchzuführen, dem Geschädigten aus dem Gesichtspunkt des Wirtschaftlichkeitsgebotes eine Abrechnung der konkret angefallenen Reparaturkosten nicht verwehrt werden kann.
PRAXISHINWEIS
Bei einem Totalschaden kann der bei dem Unfall Geschädigte sein Fahrzeug trotzdem reparieren lassen, wenn die voraussichtlich veranschlagten Reparaturkosten des Sachverständigengutachtens über, jedoch die tatsächlich anfallenden Reparaturkosten in der Opfergrenze von 130 % liegen. Voraussetzung dafür ist, dass die Reparaturwerkstatt das Fahrzeug – etwa mit dem Einbau von Gebrauchtteilen – nach den Vorgaben des Sachverständigen fachgerecht instand setzt und die Reparatur vollständig erfolgt. Maßgebend dafür ist, dass das Fahrzeug vollständig in den Zustand wie vor dem Unfallzeitpunkt versetzt wird und nach der Reparatur keine unfallbedingten Defizite verbleiben.
Rechtsanwältin Ulla RichterFachanwältin für Versicherungsrecht