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Familie & Nachfolge

Der digitale Nachlass

By 8. September 2015No Comments

Nach Ableben eines Menschen ist im Hinblick auf das Erbrecht vielerlei zu veranlassen. Neben der direkten Totensorge steht die Frage der Beerdigung, der Veranstaltung der Trauerfeier etc. im näheren Fokus. Im Weiteren wird in der Regel dann der Blick auf den realen Nachlass gerichtet, der dann je nach gesetzlicher oder testamentarischer Erbfolge zu verteilen ist.

Vielfach wird dabei jedoch übersehen, dass der reale Nachlass im heutigen Zeitalter nicht der alleinige Nachlass ist, der zu regeln wäre.

Denn der sogenannte digitale Nachlass ist bei vielen Menschen heutzutage ein Punkt, der häufig weder beachtet noch hinsichtlich dessen irgendwie vorgesorgt wird.

Faktisch jeder hat digitalen Nachlass, so beispielsweise bereits die mit dem Smartphone oder dem digitalen Fotoapparat geschossenen Fotos, Bildsammlungen etc. Wichtiger aber ist, dass faktisch jeder heutzutage einen Internetzugang hat, oftmals auch einen E-Mail-Zugang, in verschiedenen Profilen tätig ist, wie Facebook, Twitter, Google etc. bis hin zu kostenpflichtigen Abos und Zugängen wie beispielsweise Apps, Onlinespiele und digitale Zeitschriften.

Hier laufen im Hintergrund, ohne dass irgendetwas geregelt wird, im Zweifel die Kosten weiter, das Abschalten bzw. Kündigen dürfte problematisch sein, da die Erben sich erst einmal als solche legitimieren müssen, oftmals mittels Erbschein, was weitere Kosten verursacht. Zudem zeigen sich die Onlineanbieter, Facebook etc. relativ stur, wenn es um die Abmeldung bzw. Kündigung von Accounts geht. In der Regel werden hier Verfügungen der Erben nicht ohne weiteres akzeptiert, ein Rechtsstreit droht.

Es sollte also auch gerade im Rahmen einer testamentarischen Nachlassregelung der künftige Erblasser bedenken, dass er auch hinsichtlich seines digitalen Nachlasses vorsorgliche Regelungen treffen sollte. So muss berücksichtigt werden, dass ohne Regelung der Zugriff der Erben auf ein E-Mail-Konto nicht möglich ist und so möglicherweise wichtige Nachrichten nicht empfangen oder versendet werden können. Da auch das Internet „nie vergisst“, sollte der Erbe vorsorgen, dass beispielsweise die vorgesehenen Erben berechtigt sind, sämtliche Daten in den diversen Onlinediensten löschen zu lassen.

Praxishinweis

Es empfiehlt sich einen Passus in das Testament aufzunehmen, mit dem der digitale Nachlass behandelt wird. So sollte u. a. geregelt werden

a) wer darf Zugriff auf die E-Mail oder die E-Mail-Konten haben, diese anpassen, ändern bzw. kündigen und löschen lassen

b) wer darf hinsichtlich ihrer Profile bei Facebook, Twitter etc. diese abmelden, löschen lassen oder im Gedenken erhalten

c) welche Fotos, Videos etc. sollen als Familiennachlass zur Erinnerung erhalten werden, welche können gelöscht werden

d) welche kostenpflichtigen Abos, Zugänge, Apps etc. gibt es, welche sollen gelöscht, welche übertragen werden.

Des Weiteren sollten Sie berücksichtigen, dass oftmals mit Passwörtern und Zugangsnamen gearbeitet wird. Ohne diese stehen auch die Erben hilflos da, obgleich sie möglicherweise im Testament bevollmächtigt sind, Zugänge löschen zu lassen. Sie kommen schlicht zunächst nicht in den Zugang. Daher empfiehlt sich im Testament selbst beispielsweise zu bestimmen, welche Passwörter und Zugangsnamen für welche digitalen Aktivitäten existieren und ggf. wo sie zu finden sind. Die Pass- und Codewörter sollten dann als Anlage zum Testament geführt werden, da sie sich häufig ämdern. Des Weiteren sollte auch im Rahmen der Testamentserrichtung klar geregelt werden, was im Einzelnen mit dem digitalen Nachlass geschehen soll, wer diesbezüglich berechtigt wird, welche Löschungen, Sperrungen etc. auszulösen sind. Dies sollte in einem handschriftlichen Testament auch handschriftlich niedergeschrieben werden, da Testamente und Vermächtnisregelungen etc. die nur ausgedruckt und unterschrieben werden, ohnehin unwirksam sind.

Sofern ein notarielles Testament errichtet wird, sollte der Notar vorher darauf hingewiesen werden, dass die Problematik digitaler Nachlass gesondert behandelt werden soll.

Rechtsanwalt Matthias Hieke