Im Urteil vom 17.06.2014 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass den Radfahrer kein Mit- verschulden trifft, wenn er keinen Schutzhelm getragen hat, obwohl dieser die erlittenen Kopf- verletzungen gemildert hätte. Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil jedoch klargestellt, dass dieser Grundsatz zunächst nur für Unfallereignisse bis zum Jahr 2011 gilt.
In dem vom Bundesgerichtshof zu entscheidenden Fall war ein Radfahrer unverschuldet verunglückt. Ein Sachverständigengutachten stellte fest, dass die erlittenen Schädel-Hirn-Verletzungen geringer ausgefallen wären, wenn der Radfahrer einen entsprechenden Schutzhelm getragen hätte. Die Beklagten wandten daraufhin außergerichtlich eine Mitverschulden i.H.v. 50 % ein. Das Oberlandesgericht hatte in der Vorinstanz dem Radfahrer noch ein Mitverschulden von 20 % zugerechnet. Denn der Kläger hätte durch das Nichttragen des Helms Schutzmaßnahmen zu seiner eigenen Sicherheit unterlassen.
Der Bundesgerichtshof folgte der Argumentation des Oberlandesgerichtes nicht. In seiner Begründung führt der Bundesgerichtshof unter anderem aus, dass ein Mitverschulden dann gegeben ist, wenn der Geschädigte sich nicht verkehrsrichtig verhalten hat. Da sich aber das Tragen von Schutzhelm im allgemeinen Verkehrsbewusstsein noch nicht durchgesetzt habe, sah der Bundesgerichtshof in dem Nichttragen des Helms keinen Verstoß gegen verkehrsrichtiges Verhalten. Zur Begründung dieser These griff der Bundesgerichtshof auf statistische Erhebungen zurück, wonach im Jahr 2011 über alle Altersgruppen hinweg nur 11 % der Radfahrer einen Schutzhelm getragen hätten. Dies seien lediglich 2 % mehr als im Jahr 2010 gewesen.
Aufgrund des fehlenden allgemeinen Verkehrsbewusstseins zumindest bis zum Jahr 2011 lehnte der Bundesgerichtshof ein Mitverschulden des Radfahrers ab. In dem Leitsatz des Urteils weist der Bundesgerichtshof aber explizit darauf hin, dass diese Rechtsprechung zunächst nur für Unfallereignisse bis zum Jahr 2011 gilt.
Praxishinweis:
Der Bundesgerichtshof hat die Anwendbarkeit seiner Rechtsprechung auf Unfallereignisse bis zum Jahr 2011 beschränkt. Sollte somit zukünftig das Tragen eines Fahrradhelms sich zum allgemeinen Verkehrsbewusstsein durchsetzen, könnten Gerichte zukünftig ein Mitverschulden des Radfahrers annehmen, wenn dieser keinen Fahrradhelm trägt.
Ausdrücklich offen ließ der Bundesgerichtshof die Fälle sportlicher Betätigung von Radfahrern mit entsprechender risikoreicher Fahrweise. In solchen Fällen könnte ein Mitverschulden des Radfahrers möglicherweise auch für Unfallereignisse vor dem Jahr 2011 angenommen werden.
Rechtsanwältin Ulla Richter
Fachanwältin für Versicherungsrecht