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Der Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz – ein Papiertiger?

By 7. September 2015No Comments

Mit Urteil vom 26.08.2015, Az: 1 U 319/15, hat das Oberlandesgericht Dresden die gegen die Stadt Leipzig gerichtete Klage von 3 Müttern abgewiesen, mit denen diese Schadensersatz für Verdienstausfall erstreiten wollten. Sie hatten für ihre Kinder mit Vollendung des 1. Lebensjahres den begehrten Betreuungsplatz in einer Kindertageseinrichtung nicht erhalten. In der öffentlichen Diskussion wird dieses Urteil als Entwertung des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz für Kinder unter 3 Jahren wahrgenommen.

Das ist so nicht zutreffend. Das Oberlandesgericht hat angenommen, dass nur mittelbare Schäden der Eltern, wie beispielsweise der Verdienstausfallschaden wegen notwendiger eigener Betreuung des Kindes, nicht vom Schutzzweck des Norm des § 24 Abs. 2 SGB VIII erfasst sei. Das Gesetz wolle nur die Kinder bzw. deren frühkindliche Förderung schützen, nicht die Erwerbsaussichten der Eltern. Ob diese Sichtweise des OLG Dresden zwingend ist, wird wohl der Bundesgerichtshof beantworten müssen. Zweifel sind aber angebracht, weil das Gesetz ausweislich der Gesetzesbegründung einen „zentralen Punkt der Vereinbarkeit von Erwerbs- und Familienarbeit aufgreift“.

Keineswegs aber hat das Oberlandesgericht eine Schadensersatzpflicht per se verneint, wenn Eltern für ihre Kinder keinen Betreuungsplatz erhalten. Lassen die Eltern ihr Kind beispielsweise in einer privaten Kindertagesstätte betreuen, und müssen deshalb deutlich höhere Betreuungskosten aufgewandt werden, ist dieser Differenzbetrag als Schaden ersatzfähig. Der Tiger hat also doch Zähne!

Rechtsanwalt Dr. Andreas Friedrich