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Bauen & Immobilien

Der Kostenvoranschlag im Bauvertrag als Geschäftsgrundlage

Es kommt vor, dass der Auftraggeber seinen Auftragnehmer auffordert, ihm für die Erbringung von Bauleistungen einen Kostenvoranschlag zu erstellen. Später entsteht Streit, wenn die tatsächlichen Kosten den Kostenvoranschlag überschreiten. Spätestens dann ist zu prüfen, welche Rechtsqualität dem Kostenvoranschlag im Verhältnis der Parteien zukommt.

Ein Auftragnehmer soll für die Erbringung von Erdarbeiten für den Auftraggeber einen Kostenvoranschlag erstellen. Nach Beauftragung und Leistungserbringung überschreitet die Schlussrechnung des Auftragnehmers den Voranschlag erheblich. Der Auftraggeber möchte nur den Werklohn in Höhe des Kostenvoranschlages zahlen. Er meint, in der Unterbreitung des Kostenvoranschlages liege bereits die Übernahme einer Garantie seitens des Auftragnehmers, den Kostenvoranschlag nicht zu überschreiten. Im Übrigen beruft sich der Auftraggeber darauf, der Auftragnehmer habe ihn vor Überschreitung des Kostenvoranschlags informieren müssen, was der Auftragnehmer nicht getan habe. Deshalb müsse der Auftraggeber nur den Werklohn in Höhe des Kostenvoranschlages zahlen.

Das Gericht folgt der Auffassung des Auftraggebers nicht. Der Auftraggeber ist vielmehr zur Zahlung des tatsächlichen Schlussrechnungsbetrages verpflichtet. Der Kostenvoranschlag stellt lt. § 650 BGB eine unverbindliche Berechnung der voraussichtlich anfallenden Kosten dar. Er bildet die Geschäftsgrundlage des Werkvertrages wird jedoch nicht automatisch Vertragsbestandteil, § 650 BGB. Erst wenn der Auftragnehmer eine sogenannte Richtigkeitsgarantie seines Kostenvoranschlages gegenüber dem Auftraggeber abgibt, würde der Preis aus dem Kostenvoranschlag Vertragsinhalt werden. Auch ein Verstoß des Auftragnehmers gegen seine Anzeigepflicht lt. § 650 (2) BGB führt zu einer Verurteilung des Auftraggebers, wenn dieser nicht den Nachweis führen kann, er hätte bei einer rechtzeitigen Anzeige möglicherweise die objektiv notwendigen Bauleistungen günstiger vergeben können.

Praxishinweis

Sofern also ein Auftragnehmer seine Anzeigepflicht gemäß §650 (2)BGB verletzt, ist er nicht automatisch an der Höhe seines Kostenvoranschlages festzuhalten. Vielmehr muss der Auftraggeber erst hypothetisch einen Geschehensablauf nachweisen, wonach er bei rechtzeitiger Anzeige den Werkvertrag mit dem Auftragnehmer gekündigt und die Leistungen günstiger als tatsächlich durch den Auftragnehmer abgerechnet hätte beauftragen können. Eine unterlassene Anzeige bleibt dann folgenlos, wenn der Auftraggeber diesen Nachweis nicht führen kann. Kriterium ist also die Klärung der Frage, inwieweit der Auftraggeber das Werk erfolgreich durch Dritte hätte günstiger oder in Höhe des Kostenvoranschlags fertigstellen können.

Auftraggebern ist zu raten, sich nicht nur auf die Verletzung der Anzeigepflicht lt. § 650 (2) BGB zu berufen, sondern auch diesen hypothetischen Geschehensablauf vorzutragen und Beweis anzubieten. Er muss also auch zu seinem eigenen Alternativverhalten im Prozess vortragen.

Auftragnehmern ist zu raten, Kostenvoranschläge nur in begründeten Ausnahmefällen zu unterbreiten oder aber dort den Vorbehalt aufzunehmen, das jener für die im Kostenvoranschlag enthaltenen Leistungen genannte Preis keinen Festpreis darstellt, sondern seine Überschreitung durchaus möglich ist. Parallel dazu sollte der Auftragnehmer rechtzeitig seinen Auftraggeber informieren, wenn eine Überschreitung des im Kostenvoranschlag genannten Preises droht, um so seiner Informationspflicht im Sinn von § 650 (2) BGB zu genügen. Aus Beweisgründen sollte der Auftragnehmer diese Information schriftlich geben. Jedenfalls wird der im Kostenvoranschlag genannte Werklohn nicht automatisch Vertragsinhalt, wenn nicht der Auftragnehmer dafür eine Garantie übernimmt.

Rechtsanwalt Frank-Thoralf Hager
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht